Kasandjiev Wassil: BULGARISCHE MINIATUREN 1

Mit BULGARISCHE MINIATUREN 1 von Wassil Kasandjiev [Vassil Kazandziev] (*1934) bekommt man Einblick in eine bulgarische Musik des 20. Jahrhunderts, die maßgeblich auf den Einfluss ihres wichtigsten Begründers Panco Vladigerov (1899-1978) zurückzuführen ist.
Kasandjiev, Schüler von Vladigerov, orientiert sich an den Ideen seines großen Lehrers, übernimmt und entwickelt diese weiter.
Im Zentrum dabei steht die bulgarische Volksmusik, auf die sich die insgesamt 15 kleinen Klavierstücke des vorliegenden Band 1 gründen, und auf deren Basis der Komponist unter Berücksichtigung verschiedener Kompositions- und Spieltechniken der Klaviermusik des 20. Jahrhunderts seine Miniaturen erschafft.
Alle Stücke tragen sehr fantasievolle Titel, die eine durchaus naturbezogene kindliche Spiel- und Gedankenwelt evozieren, wie beispielsweise: "Der Herbstregen klopft an das Fenster" (Nr.4), "Knecht Rupprecht" (Nr.7), "Märchen" (Nr.9) oder aber "Der Frühlingskuß weckt das Schneeglöckchen" (Nr.10).
Besonders die beiden zuletzt genannten Stücke bieten zudem in Bezug auf ihre kompositorische Umsetzung einige Besonderheiten, die besonderer Erwähnung bedürfen:
Im "Märchen" (Nr.9) gibt es im Mittelteil einen sehr freien, rezitativischen kadenzartigen Abschnitt, in dem durch das Zusammenspiel von Tonrepetitionen im Diskant über quasi Resonanzen erzeugenden, lang ausgehaltenen Akkorden im Bass eine ganz eigentümliche klangliche Färbung hervorgerufen wird.
Auch "Der Frühlingskuß weckt das Schneeglöckchen" (Nr.10) 'spielt' mit Klängen, wohingegen hier neben den melodischen Elementen der Gebrauch clusterartiger Klänge mit schwarzen und weißen Tasten eine Rolle spielt (beispielsweise werden unter anderem im Bass die Töne c'-g' bzw. des'-as' [nur schwarze Tasten!] jeweils nacheinander angeschlagen und dann über mehrere Takte ausgehalten, während sich darüber im Diskant eine zwischen C-Dur und Fis-Dur abwechselnde Melodie erhebt).
Zusammengefasst sind alle diese Klavier-Miniaturen äußerst reizvoll, und sollten vor allem im Hinblick auf das langsame Heranführen an unterschiedliche Kompositions- und Spieltechniken der Klaviermusik des 20. Jahrhunderts Eingang in den Klavierunterricht ab der unteren Mittelstufe finden.